Rechenzentren verbrauchen viel Strom – doch sie liefern auch Wärme. In unserem Panel auf den Berliner Energietagen 2025 mit dem Titel „Heizen mit Daten | Rechenzentren als grüne Wärmequellen – Chancen und Herausforderungen für die Nutzung von Abwärme im kommunalen Raum“ haben wir unsere Zuhörer:innen auf eine spannende Reise mitgenommen. Diese hat gezeigt, welchen Beitrag der steigende Bedarf nach Rechenzentrums-Leistung zur lokalen Wärmewende leisten kann.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Christian Noll, Geschäftsführender Vorstand, Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF).
Dr. Ralph Hintemann (Borderstep Institut) zeigte in seinem Impulsvortrag eindrucksvoll: Der Markt für Rechenzentren wächst rasant – in Deutschland wird sich die IT-Leistung zwischen 2022 und 2030 verdoppeln. Damit steigen auch der Energiebedarf und der Druck, Lösungen zu finden, um die entstehende Abwärme intelligent zu nutzen.
Der Rechenzentrumsmarkt boomt – weltweite Kapazitäten verdreifachen sich bis 2030
Die aktuelle Entwicklung des Rechenzentrumsmarkts macht deutlich: Weltweit ist sogar eine Verdreifachung der Kapazitäten zwischen 2022 und 2030 zu erwarten. Zwischen 2024 und 2030 wird in den USA eine Verdopplung erwartet, in Deutschland ein Wachstum von 78 %. Deutschland positioniert sich dabei als größter Rechenzentrumsstandort Europas – mit ambitionierten politischen Zielsetzungen, die den Status als Leuchtturm sichern sollen. Das ist von hoher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit sowie die Souveränität Europas. Europa fiel in der Vergangenheit im Vergleich zu den USA und China zurück. „Die EU hat jetzt das Ziel, die hiesigen Rechenzentrumskapazitäten in den nächsten 5 bis 7 Jahren zu verdreifachen“, so Dr. Hintemann.
Dabei erfolgt der Kapazitätszuwachs insbesondere in der Cloud-Infrastruktur, was laut aktuellen Zahlen von Bitkom und Borderstep zu einer deutlichen Steigerung des Energiebedarfs führt: Bis 2030 werden allein deutsche Rechenzentren über 30 Milliarden kWh Strom pro Jahr verbrauchen.
Wie entwickeln sich die Rechenzentren in Deutschland? „Frankfurt bleibt der Top-Rechenzentrumstandort in Deutschland – aber auch Berlin-Brandenburg wird zunehmend wichtig, mit großen Investitionen und einer klaren Entwicklung“, sagt Dr. Hintemann.
Entwicklung des Energiebedarfs deutscher Rechenzentren – Szenarien bis 2030
Gleichzeitig eröffnen sich enorme Potenziale für die Wärmewende: Dr. Ralph Hintemann zeigte auf den Berliner Energietagen 2025, dass bereits 2030 bis zu 1 Mrd. kWh Abwärme nutzbar sein könnten, 2025 seien es 3 Mrd. kWh und 2045 bereits 10 Mrd. kWh. In 10 Jahren könnten rund 300.000 Wohnungen mit Abwärme aus Rechenzentren versorgt werden. Diese Zahlen unterstreichen den Handlungsdruck, aber auch die Chance, Rechenzentren künftig als systemrelevante Bestandteile der kommunalen Wärmeplanung zu verstehen.
Prof. Dr. Peter Radgen (IER Universität Stuttgart, GDA) präsentierte die aktuellen und künftigen gesetzlichen Rahmenbedingungen: Das novellierte Energieeffizienzgesetz (EnEfG) schreibt für neue Rechenzentren ab 2027 strenge PUE-Grenzwerte sowie eine verpflichtende Abwärmenutzung vor. Die Branche reagiert – dennoch bleibt die technische und wirtschaftliche Umsetzung eine Herausforderung.
„Rechenzentren sind die Dampfmaschine des 21. Jahrhunderts. Sie verändern massiv unsere Art zu wirtschaften – schneller, effizienter, aber mit negativen Umweltauswirkungen.“ Ihre steigende Anzahl und Kapazität machen sie nicht nur zu zentralen Akteuren in der digitalen Wirtschaft, sondern auch zu entscheidenden Faktoren für die Dekarbonisierung und die Energiewende.
Mit den novellierten Anforderungen des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) ab 2027, das strenge PUE-Grenzwerte und eine verpflichtende Abwärmenutzung für neue Rechenzentren vorschreibt, wird der Druck auf die Branche weiter steigen. Abwärme, die bislang größtenteils ungenutzt bleibt, kann nun als wertvolle Ressource für die kommunale Wärmeversorgung dienen – doch die Umsetzung dieser Vorgaben stellt die Betreiber vor große technische und wirtschaftliche Herausforderungen.
Prof. Dr. Radgen betonte, dass der Energy Reuse Factor (ERF) ab 2026 für Neubauten mindestens 10 % betragen muss und bis 2028 auf 20 % steigen soll. Auch die Nutzung von 100 % erneuerbarem Strom wird ab 2027 für alle Rechenzentren verpflichtend. Diese Vorgaben zeigen den Weg, wie Rechenzentren nicht nur zur digitalen Infrastruktur, sondern auch zur nachhaltigen Energieversorgung beitragen können.
Effizienzanforderungen an Rechenzentren gemäß EnEfG – PUE, Abwärmenutzung, erneuerbarer Strom. © Screenshot Präsentation von Prof. Dr. Peter Radgen, Berliner Energietage 2025
Doch trotz der Fortschritte bleiben viele Herausforderungen bestehen: Es gibt weiterhin strukturelle Barrieren in Bezug auf Abwärme-Nutzbarkeit, fehlende Wärmenetze und technische Limitierungen. „Abwärmenutzung aus Rechenzentren gewinnt an Bedeutung, ist aber im Moment noch eher ein Nice-to-have als ein Must-have. Dabei bleibt die Herausforderung, die Stromverfügbarkeit mit den Wärmeabnehmern in Einklang zu bringen“, erläutert Prof. Dr. Radgen.
In der lebhaften Paneldiskussion zwischen Stefan Scherz (empact), Dr. Béla Waldhauser (Telehouse Deutschland GmbH), Paul Fay (LandesEnergieAgentur Hessen), Valentina Fröhlich (AwaNetz) und Axel Popp (ENGIE) wurde klar: Ohne bessere Koordination zwischen Kommunen, Rechenzentrumsbetreibern und Energieversorgern bleibt die Abwärmenutzung ein Nischenthema. Stakeholder-Management, Planungssicherheit und pragmatische Lösungen wurden als entscheidende Erfolgsfaktoren identifiziert.
Die Panel-Diskussion verdeutlichte eindrucksvoll, dass für die erfolgreiche Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren im Rahmen der Wärmewende eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren notwendig ist. Stefan Scherz (empact) betonte, dass die Wärmewende eigentlich erfolgreich und effizient sein sollte. Er arbeitete verschiedene Herausforderungen heraus:
Seine Antwort: Die Matching-Plattform Bytes2Heat, die in Zusammenarbeit von empact, DENEFF (Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V.) und der Universität Stuttgart entwickelt wurde, um die verschiedenen Akteure zu verbinden.
Denn die Herausforderung liege in der Zusammenarbeit der Beteiligten: Wenn nicht alle an einem Strang ziehen, werde die Nutzung der Abwärme scheitern, hob Dr. Béla Waldhauser von der Telehouse Deutschland GmbH hervor. Er betonte, dass neben den Rechenzentren auch Immobilienbesitzer, Wärmenetzbetreiber und Kommunen sowie Politik mitziehen müssten, um die Abwärme effektiv zu nutzen.
Doch „aktuell sind nur die Rechenzentrumsbetreiber verpflichtet die Möglichkeit der Abwärmenutzung zu prüfen – mir wäre es recht, wenn auch potenziell wärmeabnehmende Stadtwerke eine ähnliche Verpflichtung und Quote hätten – dann wäre manches einfacher“, so Paul Fay von der LandesEnergieAgentur Hessen. „Aktuell arbeiten wir in Hessen so: Wir bringen die Gruppen zusammen. Erstellen Konzepte mit den Rechenzentrumsbetreibern und den Kommunen und stellen diese dann denen vor, die das umsetzen können.“ Er sieht die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung als eine der größten Herausforderungen und wies darauf hin, dass die Akzeptanz von Abwärme aus Rechenzentren künftig steigen werde – vor allem in Hinblick auf die Entwicklung der Strom- und Gaspreise. Eine der Schlüsselfragen bleibe die Wirtschaftlichkeit der Abwärmenutzung, insbesondere in Regionen mit fehlenden Wärmenetzen.
Auch Axel Popp von ENGIE sah bei den Berliner Energietagen 2025 die Kommunikation als einen der wichtigsten Punkte: „Es darf keine Einbahnstraße sein und wir müssen mit den Egoismen aufhören. Es gibt durchaus auch die Notwendigkeit, dass zwischen den Investoren, den Kommunen, den Industrieunternehmen und der Wohnungswirtschaft Platz für sogenannte Mittler oder Intermediäre wie uns vorhanden ist. Da kommt dann allerdings zum Beispiel das Vergaberecht wieder ins Spiel. Auch da wünsche ich mir noch etwas mehr Flexibilität.“
Des Weiteren hob er hervor, dass für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung durch Rechenzentren alle Beteiligten ihre Komfortzonen verlassen und bereit sein müssen, Kompromisse einzugehen – etwa bei den Vorlauftemperaturen oder den Zeiträumen für die Bereitstellung von Abwärme. Zudem erklärte er, dass auch der technologische Fortschritt in Form von Hochtemperaturwärmepumpen und der Energieeffizienz von Rechenzentren wichtige Faktoren darstellten, um die Herausforderungen der Abwärmenutzung zu überwinden.
Valentina Fröhlich von AwaNetz unterstrich die Notwendigkeit, Abwärmenutzung zum Mainstream zu machen: „Das schaffen wir, indem wir alle zusammenarbeiten. Es liegt an den Abnehmern, aber auch an den Abwärmequellen und an den Kommunen. Das heißt: Es sind eigentlich drei verschiedene Akteure, die an verschiedenen Stellen zusammengebracht werden müssen.“ Sie betonte in diesem Zusammenhang die Rolle von Wissen, Netzwerken und lösungsorientierter Zusammenarbeit. Im Rahmen des Projekts AwaNetz werden neue Plattformen entwickelt, die Abwärmequellen und -abnehmer zusammenbringen sollen. Dies könne den Austausch und die Umsetzung von Projekten erheblich beschleunigen.
Abschließend wird deutlich: Die Abwärmenutzung aus Rechenzentren und deren Integration in kommunale Wärmesysteme stellt eine komplexe Herausforderung dar, die nur durch engste Kooperation aller beteiligten Akteure – von den Rechenzentren über die Kommunen bis zu den Energieversorgern – erfolgreich gemeistert werden kann.
Das Projekt Das Neue Gartenfeld in Berlin-Spandau wurde von Niklas Wiegand (ENGIE), Dr. Eggers (NTT) und Leif Cropp (GASAG) im Rahmen des Panels auf den Berliner Energietagen 2025 vorgestellt. Es ist ein zukunftsweisendes Quartier, das durch innovative Konzepte in der Energieversorgung und Abwärmenutzung besticht. Geplant ist der Bau von 4.500 Wohnungen und 600 Gewerbeeinheiten auf einer Fläche von 31 ha, die Platz für rund 10.000 Menschen bietet. Dabei spielt die Nutzung von 100 % erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle. Das Projekt verfolgt das Ziel, jährlich 6.000 Tonnen CO₂ einzusparen.
Ein innovativer Aspekt des Projekts ist die Abwärmenutzung aus dem NTT-Rechenzentrum, das über eine Wärmenetzstruktur mit dem Quartier verbunden wird. Die Abwärme aus dem Rechenzentrum wird über Wärmepumpen als Hauptwärmeerzeuger für Heizung und Warmwasser genutzt, wobei diese über Power2Heat-Technologie und Wasser-Wasser-Wärmepumpen die Wärmemengen bereitstellen. Über Photovoltaik-Anlagen wird ein Teil des Strombedarfs gedeckt und in Spitzenzeiten übernehmen Pufferspeicher oder ein Gaskessel (H2-ready) die restliche Wärmeversorgung.
Das Quartier wird von einem Wärmenetz versorgt, das eine Temperatur von 65/35 °C aufweist. Die Wärmebereitstellung aus den Wärmepumpen ist für Dezember 2026 vorgesehen. Zusätzlich wird ein langfristiger Wärmeliefervertrag von mehr als 20 Jahren abgeschlossen, der die Planungssicherheit für das Projekt garantiert. Mit einer Investition im hohen zweistelligen Millionenbereich setzt Das Neue Gartenfeld auf eine nachhaltige, innovative und dezentrale Energieversorgung, die auch als Modell für zukünftige Stadtquartiere dienen kann.
Rechenzentren müssen von Anfang an integrale Bestandteile kommunaler Wärmeplanungen werden. Während die Potenziale für die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren vorhanden sind, zeigt sich, dass es noch vieler Anstrengungen bedarf, um diese in den Regelbetrieb zu überführen. Pilotprojekte wie Das Neue Gartenfeld in Berlin-Spandau sind vielversprechend. Aber um aus solchen Einzelprojekten flächendeckende Lösungen zu machen, sind mehrere Voraussetzungen nötig.
Politische Vorgaben und regulatorische Maßnahmen erweisen sich als unerlässlich, um die Branche in die richtige Richtung zu lenken. Das novellierte Energieeffizienzgesetz setzt bereits wichtige Impulse, doch es bedarf zusätzlich wirtschaftlicher Anreize, um die wirtschaftliche Rentabilität der Abwärmenutzung zu sichern. Zudem zeigt sich klar: Eine bessere Koordination aller beteiligten Akteure – von den Rechenzentren über die Kommunen bis hin zu den Energieversorgern – ist notwendig, um die Wärmewende zügig voranzutreiben.
In der Diskussion wurde immer wieder betont, dass die Wärmewende ohne die Integration der Rechenzentren und deren Abwärme nicht erfolgreich umgesetzt werden kann. Die Wärmewende braucht Daten – und die Datenzentren brauchen die Wärmewende. Nur durch die enge Zusammenarbeit aller Akteure, die Nutzung intelligenter Plattformen zur Vernetzung von Wärmequellen und -abnehmern sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung der Technologien wird es möglich sein, die Abwärme aus Rechenzentren als wertvolle Ressource für die kommunale Wärmeversorgung zu etablieren.
So haben die Berliner Energietage 2025 einmal mehr verdeutlicht, wie eng die Themen Digitalisierung und nachhaltige Wärmeversorgung miteinander verbunden sind. Wenn es gelingt, diese Verknüpfung konsequent umzusetzen, kann der Weg für eine erfolgreiche Energiewende geebnet werden, bei der Rechenzentren und ihre Abwärme als zentrale Bausteine einer klimafreundlichen Energiezukunft fungieren.