Merkliste

Keine Einträge vorhanden
Merkliste anzeigen
0
Kontakt
Magazin
Karriere
Mann mit Handy an E-Ladesäule, E-Mobilität

E-Mobilität im Lkw-Verkehr: Wie Ladeinfrastruktur die Verkehrswende im Schwerlastbereich antreibt

Merken
19. August 2025

Der Straßengüterverkehr ist ein zentraler Hebel für die Erreichung der Klimaziele. Insbesondere die Elektrifizierung des Lkw-Verkehrs gilt als Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors und die gesamte  Mobilitätswende. Doch ihr Erfolg steht und fällt mit der passenden Ladeinfrastruktur. Denn ohne zuverlässige und flächendeckende Ladepunkte bleibt die Transformation Theorie.

 

E-Mobilität bei Lkw: Mehr als nur Stromanschluss

Anders als bei Pkw stellt die E-Mobilität für Lkw deutlich höhere Anforderungen: neben geringeren Ladeleistungen für das Übernachtladen sind Schnellladeleistungen von über 350 kW notwendig, um Standzeiten im Betriebsalltag gering zu halten. Gleichzeitig müssen Ladeparks ausreichend Platz für große Fahrzeuge bieten, inklusive breiter Zufahrten, wendefreundlicher Flächen und einfacher Einbindung in logistische Abläufe. Entscheidend ist dabei vor allem eines: Planbarkeit. Denn Lkw verdienen nur Geld, wenn sie zuverlässig fahren. Flexibilität wie im Pkw-Bereich ist hier kaum gegeben.

Hinzu kommt: Die Total Cost of Ownership (TCO) ist für Logistikunternehmen absolut ausschlaggebend, denn die Branche ist extrem kostensensitiv. Zwar sind E-Lkw in der Anschaffung derzeit noch teurer (etwa das 2-Fache eines Diesel-Lkw), dafür aber im Betrieb deutlich günstiger. Gründe dafür sind günstigere Energiekosten (Strom statt Diesel), niedrigere Wartungskosten sowie regulatorische Vorteile, insbesondere bei der Maut, bei der derzeit noch eine vollständige Befreiung bis 2025 mit möglicher Verlängerung bis 2031 gilt (bei Befristung bis 2025 werden danach 25 % Rabatt gewährt).

 

E-Ladeinfrastruktur für Lkw: Ein Flickenteppich in Europa

Noch fehlt es an einer flächendeckenden öffentlichen Infrastruktur. Europaweit zeigt sich ein unkoordiniertes Bild: Einige Länder sind beim Ausbau weiter, andere hinken hinterher. Die Folge ist ein Flickenteppich, der grenzüberschreitende Transporte erschwert. Die neue AFIR-Verordnung der EU setzt einen wichtigen Rahmen: Schnellladepunkte sollen künftig alle 60 Kilometer entlang des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) verfügbar sein. Nationale Programme wie das „Deutschlandnetz Lkw“ sind richtige Impulse, aber sie reichen bei Weitem nicht aus, um den großflächigen Hochlauf der Lkw-Elektromobilität zu stemmen.

 

Was gute E-Ladeinfrastruktur für Lkw leisten muss

Ladeinfrastruktur für den Schwerlastverkehr muss mehrere Anforderungen gleichzeitig erfüllen:

  • Verfügbarkeit und Verlässlichkeit: Ausfälle sind im Logistikalltag nicht akzeptabel.
  • Ladegeschwindigkeit: Um Zeitfenster einzuhalten, müssen hohe Ladeleistungen garantiert sein.
  • Integration in Logistikprozesse: Ladezeiten und -orte müssen planbar und reservierbar sein.
  • Preistransparenz: Die Branche fordert einfache, nachvollziehbare Preisstrukturen statt Tarifdschungel.
  • Nutzerzentrierung: Die Fahrer:innen brauchen intuitive Apps, klare Prozesse und Angebote in ihrer Sprache.
  • Wirtschaftlichkeit: Am Ende muss die Gesamtkostenrechnung anderen Technologien überlegen sein.
     

Nur wenn diese Faktoren zusammenspielen, kann die E-Mobilität im Lkw-Bereich zum Erfolg werden, ökonomisch wie ökologisch.

 

„Wir denken E-Ladeinfrastruktur für Lkw von Anfang an aus Sicht der Spedition“

Wie kann ein solcher Ansatz konkret aussehen? Was erwarten Speditionsunternehmen und Fahrer:innen – und worauf kommt es bei der Planung, der Preisgestaltung und dem europaweiten Ausbau an?

 

Im Interview gibt Jan-Niklas Ellerich, Head of Heavy Duty Charging bei ENGIE Vianeo in Deutschland, Einblick in die Strategie des Unternehmens und erklärt, warum Energiekompetenz, Nutzerfokus und europäisches Denken entscheidend für den Erfolg der E-Mobilität im Schwerlastverkehr sind.

ENGIE Vianeo startet nun in Deutschland. Worauf liegt Ihr Fokus beim Ausbau der E-Ladeinfrastruktur speziell für den Schwerlastverkehr?

Jan-Niklas Ellerich: Unser Fokus liegt klar auf den sogenannten TEN-T-Korridoren, also den zentralen Verkehrsachsen Europas. Es ist uns wichtig, in europäischen Korridoren zu denken. Wir als ENGIE Vianeo wollen nicht nur in Deutschland Ladeinfrastruktur aufbauen, sondern über nationale Grenzen hinaus aktiv sein.

Unser Ziel ist es, Speditionsunternehmen eine flächendeckende Ladeinfrastruktur entlang relevanter Routen in Europa anzubieten, idealerweise aus einer Hand. Damit können Transportunternehmen ihre gesamte Güterlogistik europaweit effizient planen und abwickeln.

Natürlich werden wir nicht von Anfang an in allen europäischen Ländern präsent sein. Unser initialer Fokus liegt auf Frankreich, Belgien, Deutschland und Spanien. Von dort aus planen wir dann eine schrittweise Expansion in weitere Länder. Das ist der Startpunkt und zugleich der Kern unserer aktuellen Strategie.
 

Was unterscheidet das Angebot von ENGIE Vianeo von anderen Anbietern am Markt, insbesondere im Hinblick auf Lkw?

Jan-Niklas Ellerich: Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist, dass wir unsere Ladeinfrastruktur von Anfang an konsequent auf die Anforderungen des Schwerlastverkehrs ausrichten. Viele Wettbewerber nutzen bestehende Pkw-Ladeflächen und versuchen, diese für Lkw mitzuverwenden. Das ist aus unserer Sicht nicht der beste Ansatz für die Nutzer.

Wir denken die Ladeinfrastruktur für Lkw von Grund auf aus Sicht der Frachtführenden und Disponenten, mit dem Fokus auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Logistikbranche. Dazu gehören ausreichend Platz, passende Schnittstellen, intuitive Orientierung, geeignete Standorte sowie zusätzliche Anforderungen wie Reservierungsmöglichkeiten oder Videoüberwachung für mehr Sicherheit. Unsere Anlagen sind von A bis Z explizit für Lkw konzipiert.

Ein weiterer zentraler Punkt, der uns unterscheidet, ist unsere Kompetenz als Energieversorger. Wir verfügen über umfassendes Know-how im Energiemarkt, insbesondere im Energiemanagement, also in der vorausschauenden Beschaffung und dem effizienten Einsatz von Energie. Wir sind überzeugt, dass am Ende jene Anbieter im Markt erfolgreich sein werden, die eine wettbewerbsfähige und stabile Preisstruktur bieten können. Unsere Energieexpertise verschafft uns hier einen klaren Vorteil.

Zusätzlich denken wir europäisch, entlang der wichtigen Verkehrsachsen und Logistikkorridore. Diese Kombination aus Lkw-Fokus, Energiekompetenz und internationaler Ausrichtung macht unser Angebot einzigartig.
 

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Speditionsunternehmen und Fahrer:innen – was sind deren größte Bedenken oder Wünsche?

Jan-Niklas Ellerich: Eines der größten Bedenken betrifft die Volatilität der Strompreise. Im Gegensatz zu Diesel, den man einfach tanken und lagern kann, ist Strom nicht im Netz speicherbar. Das bringt grundsätzliche Herausforderungen mit sich. Hinzu kommt, dass sich viele Akteure in einem für sie völlig neuen Markt bewegen. Der Strommarkt funktioniert anders als der vertraute Dieselsektor, in dem sich Spediteure seit Jahrzehnten sicher bewegen. Dieses Unbekannte sorgt verständlicherweise für Verunsicherung.

Ein häufig geäußerter Wunsch ist daher, dass sich der Betrieb möglichst ähnlich wie beim Diesel gestaltet – insbesondere in Bezug auf die Kostenstruktur. Viele Unternehmen arbeiten mit sogenannten Diesel-Floatern, bei denen die Kraftstoffkosten automatisch an Marktpreise angepasst und als durchlaufender Posten behandelt werden. Eine vergleichbare Lösung wird auch im Strombereich immer wieder gewünscht, mit dem Ziel, möglichst viel Planbarkeit und wenig administrativen Aufwand zu schaffen.

Denn am Ende zählt eines: Der Lkw muss zuverlässig  fahren. Die Fahrzeuge verdienen nur dann Geld, wenn sie fahren. Daher sind Verlässlichkeit und Planbarkeit für unsere Kund:innen die obersten Prioritäten.

Und neben all den Herausforderungen gibt es auch echte Begeisterung, insbesondere auf Seiten der Fahrer:innen. Sie schätzen die deutlich leisere Fahrt, die bessere Beschleunigung und die spürbar geringeren Vibrationen. Viele wollen nach dem Umstieg gar nicht mehr zurück zum Diesel. Auch die Speditionsunternehmen sehen Vorteile: Sie können langfristig Geld sparen. Diese positiven Rückmeldungen und die Freude bei Fahrer:innen und Unternehmen sind für uns ein sehr wichtiger Antrieb.

Wie sorgt ENGIE Vianeo für Preistransparenz und Nutzerfreundlichkeit?

Jan-Niklas Ellerich: Preistransparenz ist für uns ein zentrales Thema und wir glauben, dass wir hier im Markt schon relativ weit vorn sind. Auf Wunsch der Branche setzen wir dabei auf bekannte und bewährte Mechanismen: So installieren wir aktuell in Frankreich sogenannte Preis-Totems an unseren Standorten. Diese zeigen die aktuellen Ladepreise deutlich sichtbar an, nicht nur in der App oder direkt an der Ladesäule, sondern auch gut einsehbar bei der Einfahrt auf das Gelände, ähnlich wie man es von klassischen Tankstellen kennt.

Neben der Preistransparenz ist auch die Nutzerfreundlichkeit ein entscheidender Faktor. Hier setzen wir auf digitale Prozesse, intuitiv bedienbare Apps und eine klare Kommunikation. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit zur Reservierung: Nutzer:innen können ihren Ladeplatz im Voraus buchen und haben damit die Sicherheit, dass der Platz bei Ankunft auch wirklich verfügbar ist. Das reduziert Unsicherheit und vermeidet unnötige Wartezeiten: ein echter Mehrwert im stressigen Logistikalltag.

Darüber hinaus legen wir Wert auf Mehrsprachigkeit. Unsere Systeme und Interfaces sollen möglichst viele Muttersprachen abdecken, um den Zugang für internationale Fahrer:innen so einfach wie möglich zu gestalten.

Diese Kombination aus sichtbarer Preisstruktur, digitaler Planbarkeit und sprachlicher Zugänglichkeit bildet das Fundament unserer Strategie für Transparenz und Nutzerfreundlichkeit.

 

Fazit: E-Mobilität im Lkw-Verkehr braucht Infrastruktur mit System

Die Transformation des Güterverkehrs hin zur E-Mobilität ist kein Zukunftsthema mehr. Sie hat längst begonnen. Doch die vermehrte Nutzung batterieelektrischer Lkw wird nur dann erfolgreich sein, wenn die Ladeinfrastruktur mitwächst.

Das Beispiel ENGIE Vianeo zeigt: Wer Ladeinfrastruktur nicht einfach adaptieren, sondern gezielt für den Schwerlastverkehr entwickeln will, muss die Perspektiven von Speditionen, Fahrer:innen und Energieexpert:innen zusammenbringen. Die Anforderungen an die E-Ladeinfrastruktur für Lkw sind komplex: von der Schnellladeleistung über die Logistikintegration bis zu Preismodellen und Nutzerfreundlichkeit.

Damit E-Mobilität im Lkw-Verkehr zum Treiber der Verkehrswende wird, braucht es neben dem politischen Rahmen und dem technologischen Fortschritt vor allem eines: durchdachte Lösungen für die realen Transportbedarfe.

Möchten Sie mehr über dieses Thema erfahren oder sich beraten lassen?

Schreiben Sie uns!

Unser Experte

Jan Niklas Ellerich
Jan-Niklas Ellerich ist Leiter Geschäftsentwicklung und Vertrieb für ENGIE Vianeo in Deutschland. In dieser Funktion ist er verantwortlich dafür, den Ausbau von Ladeinfrastruktur speziell für den Schwerlastverkehr in Deutschland voranzutreiben.

Artikel, die Sie auch interessieren könnten