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Grüner Wasserstoff - das leistet der Hoffnungsträger der Energiewende

17. November 2020

Wasserstoff ist in mehrfacher Hinsicht das fehlende Element, das den Übergang zu einem zu 100% erneuerbaren und nachhaltigen Energiesystem ermöglichen kann. Aus erneuerbaren Energiequellen per Wasserelektrolyse hergestellt, ist grüner Wasserstoff ein emissionsfreier Mehrzweck-Energieträger. Die Mitte des Jahres verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie sieht den Aufbau von Erzeugungsanlagen von bis zu 5 Gigawatt Gesamtleistung bis 2030 und weitere 5 Gigawatt bis spätestens 2040 vor, ebenso wie zahlreiche Fördermöglichkeiten.

Anders als Strom kann Wasserstoff nicht nur kurzfristig, sondern über lange Zeiträume gespeichert werden und steht damit auch dann zur Verfügung, wenn der für seine Herstellung benötigte erneuerbare Strom gerade nicht produziert wird. Damit erschließen sich vollkommen neue, 100% regenerative Anwendungsbereiche für Strom aus Wind und Sonne. Wasserstoff kann dem Erdgasnetz beigemischt werden oder im Power-to-Gas-Verfahren zu synthetischem Methan (SNG) veredelt und anschließend in das Erdgasnetz eingespeist werden. Dies würde die Nutzung der bestehenden Erdgasinfrastruktur ohne Umbau ermöglichen, einschließlich Gaskraftwerke. Derzeit wird auch der Aufbau einer dezidierten Gastransportinfrastruktur für 100% Wasserstoff von den Ferngasnetzbetreibern geplant. Mit der Sektorkopplung lässt sich der Strom aus den erneuerbaren Energien in vielen weiteren Anwendungen einsetzen.

Breiter Einsatz von grünem Wasserstoff in der Praxis

Vielfältigen Einsatz findet der Wasserstoff im Bereich der Mobilität. In Verbindung mit der Batterietechnologie könnte er den emissionsfreien Transport antreiben. Bei Fahrzeugen mit betrieblichen Einschränkungen, wie z.B. im Schwerlastverkehr, können Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge (FCEV) die Lücke zwischen Batterie-Elektrofahrzeugen (BEV) und Fahrzeugen mit konventionellen Verbrennungsmotoren schließen. Brennstoffzellen werden auch im Regionalzugverkehr bereits erprobt, während Personenfahrzeuge auf Langstrecken ein erhebliches Potenzial für FCEVs aufweisen. Ebenso wird Wasserstoff als Kraftstoff in Schifffahrt und Logistik getestet. Er dient zudem als Grundlage für synthetische Kraftstoffe, bekannt unter dem Stichwort “Power-to-Liquids”. Diese können in konventionellen Verbrennungsmotoren des Schwerlast- oder Flugverkehrs zum Einsatz kommen.

In der Industrie findet Wasserstoff vielfältige Anwendung, beispielsweise für die synthetische Herstellung von Ammoniak oder Methanol. Der erste Schritt besteht darin, die heutige Produktion von grauem Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Zahlreiche Demonstrationsprojekte in Raffinerien sind bereits im Gange. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Stahlproduktion kann Wasserstoff langfristig Kokskohle als Reduktionsmittel im klassischen Hochofenprozess ersetzen. Mittelfristig kann, wie es bereits heute erprobt wird, ein geringer Anteil von Wasserstoff im bestehenden Hochofenprozess eingesetzt werden, um so die CO2-Emissionen der Stahlerzeugung zu reduzieren. Weitere deutliche Reduktionen sind langfristig durch die Umstellung auf den sogenannten Direktreduktionsprozess möglich, in dem Wasserstoff vollständig als Reduktionsmittel zum Einsatz kommt. Dieses Verfahren wird bereits in einigen Ländern angewendet, auch in Deutschland findet sich eine Pilotanlage. Eine Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff kann grundsätzlich im Prozess erfolgen. Auch bei der Stahlveredelung, der Metallverarbeitung oder der Herstellung von Flachglas stellt grüner Wasserstoff eine spannende Alternative dar. In vielen Prozessen der energieintensiven Industrie ist eine Elektrifizierung nicht oder nur mit großem Aufwand möglich. Dort kann Wasserstoff zur Dekarbonisierung beitragen.

Abhängig vom Strompreis kann grüner Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse im Vergleich zu grauem Wasserstoff bereits heute kosteneffizient sein. Bei einer weiteren Senkung der steuerlichen Belastung von Strom für die Wasserstofferzeugung wird sich die Technologie zu einer tragfähigen Lösung entwickeln.

Auch auf politischer Ebene wird derzeit diskutiert, wie man Wasserstoff wettbewerbsfähig in den Markt bringen kann. Dazu gehören klimapolitische Instrumente wie beispielsweise die Umlagebefreiung im Rahmen des EEG oder der Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile bei der Industrie (Carbon Contracts for Difference).

ENGIE unterstützt die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie

Grüner Wasserstoff steht noch am Anfang, es gibt aber bereits erste vielversprechende Praxistests und Anwendungen, an denen die ENGIE-Gruppe beteiligt ist:

  • Wasserstoff-Zug in den Niederlanden
    Auf der Bahnstrecke zwischen Leeuwarden und Groningen wurde Anfang 2020 ein brennstoffzellen-betriebenen Triebwagens (Coradia iLint) erfolgreich mit Wasserstoff betankt. ENGIE hat in diesem Test den erneuerbaren Wasserstoff geliefert und die mobile Tankstelle betrieben. Eine Brennstoffzelle erzeugt in dem Triebwagen elektrischen Strom für den Antrieb. In den Niederlanden gibt es rund 1.000 Kilometer nicht elektrifizierte Bahnstrecken. Passagier-Züge mit Brennstoffzellen sind eine saubere Alternative zu den bisher genutzten Diesel-Triebwagen.
  • Grüner Wasserstoff für Raffinerie in Rotterdam
    Im Projekt MULTIPLHY soll der erste Multi-Megawatt Hochtemperatur Elektrolyseur in Rotterdam gebaut und betrieben werden. Im März 2020 haben ENGIE und weitere Unternehmen eine Projekt-Partnerschaft für eine hocheffiziente Wasserstoffproduktion geschlossen. Mit einer Nennleistung von 2,6 Megawatt wird der Elektrolyseur 60 Kilogramm Wasserstoff in der Stunde erzeugen. Damit wollen die Projektpartner bis Ende 2024 insgesamt 9.600 Tonnen Wasserstoff erzeugen für die Herstellung von hochwertigen Biokraftstoffen. 8.000 Tonnen an Treibhausgasemissionen werden dabei eingespart.
     
  • Offshore-Plattform zur Produktion von Wasserstoff
    Die ENGIE-Tochter Tractebel entwickelt ein weltweit einzigartiges Konzept für eine Plattform auf dem Meer. Ziel ist die umweltfreundliche Produktion von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab mittels Elektrolyse. Die Energie dafür kommt aus Offshore-Windanlagen. Die Leistung einer solchen Anlage kann bis zu 400 Megawatt betragen, ein Vielfaches dessen, was bisherige Technologien können. Die Transportwege der so gewonnenen Energie via Pipeline oder zukünftig eventuell auch per Schiff sind flexibel. Sie bieten Alternativen zu umstrittenen oder überlasteten Kabeltrassen – im Meer oder über Land. Im Vergleich zu den Herstellungskosten von grauem Wasserstoff aus fossilen Quellen liegen die Kosten für grünen Wasserstoff derzeit noch etwas höher. Unter anderem eine höhere Abgabe für CO2-Emissionen wird hier für mehr Chancengleichheit sorgen. Entscheidender Kostenfaktor ist das Design des Systems und die Effizienz der Anlagen. Das Tractebel-Konzept enthält die passenden Lösungen für einen kostenoptimierten Anlagenaufbau und den effizienten Betrieb.
     

Als Mitglied der European Clean Hydrogen Alliance unterstützt ENGIE aktiv die europäische Wasserstoffstrategie und setzt sich für einen ambitionierten Ausbau der Wasserstoffnutzung bis 2030 ein. Darüber hinaus engagiert sich ENGIE als Teil der Industrieinitiative Hydrogen Europe für die Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie.

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Unser Experte

Felix Knicker
Felix Knicker ist Projektingenieur bei der Tractebel Engineering GmbH. Als Wasserstoff-Experte beschäftigt er sich mit der Planung von Projekten zur Produktion von grünem Wasserstoff in den Bereichen Erneuerbare Energien, Mobilität und Kraftwerkstechnik.

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