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Als grüne Wärme wird Wärme bezeichnet, die klimaneutral gewonnen werden kann. Auf dem Markt existieren diverse Möglichkeiten, Wärme mithilfe erneuerbarer Energien zu erzeugen: Von fester Biomasse und Biogas über Solarthermie und Geothermie bis hin zu Power-to-Heat-Lösungen reicht die Auswahl. Welche Methoden zur Wärmeerzeugung stehen momentan ganz oben auf der Liste und an welchen Stellschrauben muss bei den einzelnen Lösungen noch nachjustiert werden? Unser Experte Axel Müller-Wennekers, Technischer Leiter Projektentwicklung bei ENGIE Deutschland, gibt im Interview einen Über- und Ausblick.

Herr Müller-Wennekers, auf welchem Stand befinden wir uns denn aktuell in puncto grüne Wärme?

Grüne Wärme zählt zu den größeren Herausforderungen auf dem Weg in die CO2-Neutralität. Das liegt daran, dass klimaneutrale Brennstoffe zur Wärmeerzeugung entweder teuer beziehungsweise schwer verfügbar sind oder nur mit erheblichem Aufwand zum Kunden gelangen. Entsprechend schlummert gerade im Bereich grüne Wärme das größte Optimierungspotenzial. Mit durchdachten Konzepten und vernünftigen Lösungsansätzen könnte vor allem im Industriebereich ein großer Schritt in Richtung Zero Carbon gemacht werden. Der thermische Teil macht einen bedeutenden Teil des Gesamt-Energieverbrauchs aus.

Uns stehen ja verschiedene grüne Primärenergien zur Verfügung. Welche Vor- und Nachteile haben die einzelnen Optionen aktuell?

Als derzeit am ehesten zu realisierende Lösung für die Erzeugung grüner Wärme erweist sich in meinen Augen die feste Biomasse, beispielsweise Altholz in Form von Hackschnitzeln. Holz ist in der Bilanz CO2-neutral, denn es kann bei seiner Verbrennung nur so viel CO2 freisetzen, wie es während der Wachstumsphase gebunden hat. Ein weiteres Plus: Für die industrielle Nutzung von Holz gibt es attraktive Fördermöglichkeiten. Zudem haben wir momentan sogar teilweise negative Preise, weil Altholz im Überfluss vorhanden ist. Als Nachteile sind die hohen Investkosten sowie der enorme Platzbedarf für die Installation einer solchen Anlage zu nennen. Außerdem muss das Holz natürlich zum Einsatzort transportiert werden, wodurch nicht nur Kosten entstehen, sondern auch eine Umweltbelastung durch den Lieferverkehr.

… ein Problem, das ja bei der Wärmegewinnung aus gasförmiger Biomasse nicht entsteht. Warum ist Biogas in der industriellen Wärmegewinnung nicht weiter verbreitet?

Der Hauptnachteil liegt aktuell in der geringen Verfügbarkeit und einem entsprechend hohen Biomethan-Preis. Es stellt im industriellen Bereich einfach (noch) keine wirtschaftliche Alternative dar. Viele Biomethananlagen sind mangels ausreichender EEG-Förderung stillgelegt worden. Daher hat es in den letzten sechs bis sieben Jahren auch keine preisliche Weiterentwicklung gegeben. Im neuen EEG gibt es jetzt wieder eine Förderung, das wird den Biomethanmarkt vermutlich wieder ein bisschen beleben. Und Biogas ist in jedem Fall eine Alternative, die man im Blick behalten muss. Es sind keine komplizierten und teuren technischen Umbauten an der Anlage nötig, es lässt sich einfach das Gasnetz dafür nutzen. Im Grunde verbrennt man dasselbe Gas wie vorher auch, kann es aber von der Bilanz her anders deklarieren.

Welche Optionen stehen denn noch im Bereich grüne Wärme zur Verfügung?

Da ist natürlich noch die Solarthermie, für die es immerhin Förderungen gibt. Hier liegen die Nachteile zum einen im hohen Platzbedarf einer Solarthermieanlage, zum anderem im begrenzten Temperaturbereich. Werden sehr hohe Temperaturen benötigt, stößt die Solarthermie an ihre Grenzen. Höhere Temperaturen sind nur mit Parabol-Technik möglich, die immer dem Sonnenstand nachgeführt wird. Die Erzeugung grüner Wärme erfolgt also nicht kontinuierlich.

Das Problem des begrenzten Temperaturspektrums stellt sich auch bei der Geothermie, richtig?

Das stimmt. Wenn nah an der Erdoberfläche gebohrt wird, etwa bis zu 500 Meter, dann ist das Temperaturniveau beschränkt und muss zum Beispiel mit einer Wärmepumpe ergänzt werden. Um ein wirklich industriell nutzbares Temperaturniveau zu erzeugen und an die 120 Grad Erdwärme nach oben zu holen, muss in 5.000 bis 7.000 Meter Tiefe des Erdreichs vorgedrungen werden, was mit hohen Risiken und Kosten verbunden ist.

Welche Alternative hat Ihrer Ansicht noch Potenzial?

Absolut ausgereift ist mittlerweile die Power-to-Heat-Technologie. Grüne Wärme mit dem Power-to-Heat-Verfahren zu erzeugen, ergibt natürlich nur dann Sinn, wenn auch der eingesetzte Strom grün ist. Die Anlagen sind nicht schwer zu installieren und fahren sehr schnell hoch, sie sind in etwa vergleichbar mit einem großen Tauchsieder. Die wichtigsten Vorzüge von Power-to-Heat sind viele Möglichkeiten hinsichtlich des Temperaturniveaus und eine enorm hohe Effizienz: 99 Prozent des Stroms geht auch wirklich in Wärme.

Wie gehen Sie auf Kunden zu, die auf grüne Wärme umstellen wollen?

Unser erster Schritt bei ENGIE ist immer eine Bestandsaufnahme mit der Kernfrage: Lässt sich der Bedarf an Wärmeerzeugung insgesamt reduzieren? Die Wärmerückgewinnung ist ein bewährtes Verfahren und in der Industrie immer die erste Maßnahme in der Energieeffizienz. Im nächsten Schritt überlegen wir dann: Wie erzeugen wir den restlichen Wärmebedarf grün? Das erforderliche Temperaturniveau spielt dabei eine Schlüsselrolle, denn bei sehr hohem Temperaturbedarf schließen sich einige Verfahren von vorneherein aus. Außerdem müssen wir schauen: Was ist vor Ort technisch möglich? Gibt es genug Platz oder befinden wir uns mitten in der Großstadt? Sofern die logistischen Voraussetzungen beim Kunden passen, ist unsere Empfehlung dann meist: feste Biomasse.

Wie lautet Ihr Fazit: Was hält die Zukunft im Bereich grüne Wärme bereit?

Als großes Thema der Zukunft würde ich grünen Wasserstoff sehen – generell werden grüne Gase die Hauptrolle spielen (müssen) auf dem Weg zu Zero Carbon. Von den Emissionen her ist grüner Wasserstoff einer der besten Brennstoffe. Aber es dauert meiner Einschätzung nach noch einige Jahre, bis er konkurrenzfähig sein wird. Bis dahin werden wir für unsere Kunden die für ihren Bedarf passende und wirtschaftliche Lösung mit den aktuellen Technologien entwickeln. Das muss sich an den individuellen Gegebenheiten orientieren – also Zugang zu Biomasse, zum Gasnetz, vorhandener Platz für Solar- oder Biomasse-Anlagen etc.

Mein Tipp: Betriebe mit einem hohen Wärmebedarf sollten sich nicht nur auf eine Erzeugungsart fixieren, sondern flexibel bleiben und sich breit aufstellen. Ich denke, dann sind sie für die Zukunft am besten gewappnet. Wichtig sollte uns allen dabei vor allem ein Ziel sein: Dass wir gemeinsam die Energiewende jetzt auf Unternehmensseite überall anschieben.

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Unser Experte

Axel Müller-Wennekers
Axel Müller-Wennekers ist technischer Leiter der Projektentwicklung im Geschäftsbereich Energy & Facility Solutions der ENGIE Deutschland. In dieser Funktion beschäftigt er sich mit verfügbaren und zukünftigen technischen Lösungen, die für unsere Kunden auf dem Weg in die Klimaneutralität von Bedeutung sind.

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