Kontakt
Magazin
Karriere
Alternative text

Impulse #16: Photovoltaik als Freiheitsenergie

30. August 2022

Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine hat Bundesfinanzminister Christian Lindner die erneuerbaren Energien kürzlich als Freiheitsenergie bezeichnet – denn sie leisten nicht nur einen Beitrag zur Energiesicherheit, sondern machen uns auch unabhängiger. Welche Rolle spielt hierbei die Photovoltaik?

„Eine ganz wesentliche Rolle! Und sie ist zudem ein wichtiger Baustein zur Eindämmung des Klimawandels“, ist Ralf Schürkamp, Geschäftsführer der ENGIE Erneuerbare GmbH, überzeugt. Um seine Expertise und seine Erfahrungen mit Ihnen aus erster Hand teilen zu können, übergibt Manfred Schmitz, CEO der ENGIE Deutschland GmbH, im heutigem Editorial das Zepter an seinen Kollegen. 

 

„Photovoltaik kann einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Die Ausbauziele der Bundesregierung bis 2030 sind extrem ambitioniert – aber machbar. Entscheidend dafür wird das zügige Voranbringen von großen Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen sein.“

Ralf Schürkamp, Geschäftsführer ENGIE Deutschland Erneuerbare GmbH
 

 

Eine Frage vorab: Wissen Sie, woher unser Strom an wolkenlosen Sommertagen hauptsächlich stammt? An sonnigen Tagen werden über 50 Prozent Strom aus Photovoltaik-Anlagen gewonnen! Und der Plan der Bundesregierung ist es, dass diese Zahl noch weiter steigt. Gehört haben Sie garantiert davon: Gut einen Monat ist es nun her, dass der Bundestag das sogenannte „Osterpaket“ der Bundesregierung verabschiedet hat. Das klare Ziel des Pakets ist es, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen – endlich, wenn Sie mir diesen Zusatz erlauben. Dabei soll sich die installierte Leistung von Photovoltaik bis 2030 fast vervierfachen, nämlich von aktuell 59 Gigawatt auf dann 215 Gigawatt. Deutschlandweit hat der Beschluss für viel Aufsehen gesorgt. Zwar handelt es sich dabei um die Umsetzung einer bereits verlautbarten Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag und kommt somit nicht überraschend. Aber seit dessen Veröffentlichung hat die Welt sich drastisch verändert, und Lösungen zur Senkung des Bedarfs an Gasimporten und an Stromspeichern benötigen wir heute dringlicher denn je.

Die Sternstunde für Photovoltaik

Kurz gesagt: Photovoltaik kann das leisten. Sie kann uns helfen, unabhängiger von Gasimporten und Stromspeichern zu werden. Es herrscht Konsens darüber, dass in Deutschland in den kommenden Jahren immer mehr elektrifiziert wird und infolgedessen der Strombedarf immer weiter steigt – denken wir nur an die zunehmende Umstellung auf Elektromobilität und das Heizen mit Wärmepumpen. Prognosen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zufolge werden in Deutschland im Jahr 2030 rund 750 Terawattstunden Strom benötigt. 80 Prozent davon sollen aus erneuerbaren Energien stammen, davon rund 35 Prozent von Photovoltaik. Zum Vergleich: Insgesamt rund 55 Prozent wollen wir mit Windenergie On- und Offshore und 5 Prozent mit Wasserkraft erreichen. Das spiegelt eindrucksvoll die große Bedeutung von Photovoltaik für unsere Zukunft und für den Weg zur Klimaneutralität wider.

Mehr Photovoltaik für den Klimaschutz 

Meines Erachtens sind die Ziele gut und vor allem sind sie richtig. Aber sie sind auch wahnsinnig ambitioniert. Lassen Sie mich das verdeutlichen: Um die aktuellen 59 Gigawatt an Photovoltaik-Kapazitäten zu erreichen, haben wir in Deutschland rund zwanzig Jahre gebraucht. Für deren Vervierfachung steht uns ein Zeithorizont von acht Jahren zur Verfügung. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Machbar ist dies durchaus. Aber es ist eindeutig, dass immense Anstrengungen und eine deutliche Vereinfachung des Ausbaus vonnöten sind. So dürfen wir uns beispielsweise nicht vormachen, dass wir dies einzig mit den vorhandenen Fachkräften in Deutschland stemmen könnten – stattdessen werden wir definitiv qualifiziertes Personal aus dem Ausland hinzuziehen müssen. Ein weiteres Nadelöhr ist der weltweite Materialengpass, der leider auch vor Photovoltaik-Anlagen nicht Halt macht. Wussten Sie, dass aktuell 95 Prozent der hierzulande eingesetzten Solarmodule aus China kommen? Hier sehen wir uns seit Monaten instabilen Lieferketten gegenüber, gleichzeitig sind die Transportkosten massiv angestiegen. Eine positive Trendwende ist bei beiden Aspekten momentan nicht absehbar, im Gegenteil. Dazu kommt, dass China selbst derzeit Photovoltaik massiv ausbaut – im ersten Halbjahr 2022 allein ein Zubau um 30 Gigawatt, sodass die künftigen Lieferkapazitäten in Richtung Deutschland kaum zuverlässig prognostizierbar sind. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einen Appell für den Ausbau einer europäischen Photovoltaik-Produktion ausrufen – nicht zuletzt, da gerade die jüngsten Entwicklungen gezeigt haben, wohin die Abhängigkeit von einer einzelnen Marktmacht führen kann. Eine europäische Photovoltaik-Industrie könnte ein wichtiges Rückgrat für das Erreichen der Ausbauziele darstellen.

 

Warum Photovoltaik alternativlos ist

Die größte Hürde auf diesem Weg stellt aber nach wie vor die langwierige Genehmigung innerhalb Deutschlands dar. Die Bundespolitik hat klar die Richtung vorgegeben und hoch ambitionierte Ziele ausgerufen – jetzt wünsche ich mir sehr, dass dies die Umsetzung auf Regional- und Kommunalebene beflügelt. Im Tagesgeschäft erleben wir, dass Planung, Genehmigung und Realisierung bei Photovoltaik derzeit noch nicht den Ausbauzielen entsprechen. Hier brauchen wir mehr Tempo. Ich sage es ganz deutlich: Um den Klimawandel einzudämmen, haben wir keine Alternative mehr. Wir müssen erneuerbare Energien als eine tragende Säule für Klimaneutralität forcieren, wo wir nur können. Es gilt, schlichtweg jede geeignete Fläche zu nutzen. Eine Ablehnung von Photovoltaik-Anlagen beispielsweise aus optischen Gründen, wie wir es nach wie vor erleben, ist nicht im Sinne einer grünen Zukunft. Stattdessen müssen wir alle verfügbaren Photovoltaik-Technologien nutzen und bundesweit in dem Ausmaß verteilen, so wie sie die Endverbraucher:innen benötigen. Nur mit einem solch konsequenten Vorgehen vermeiden wir einen zusätzlichen, massiven Netzausbau.

Möchten Sie mehr über dieses Thema erfahren oder sich beraten lassen?

Schreiben Sie uns!

Agri-Photovoltaik: eine Chance für die Energiewende

Für Photovoltaik gibt es ein zusammengefasstes Ziel für Aufdach-Solaranlagen und für Freiflächensolaranlagen; bei der ENGIE Erneuerbare GmbH gehen wir davon aus, dass sich die Kapazitäten in Zukunft etwa hälftig aufteilen. Grundsätzlich sollen Photovoltaik-Anlagen überall zu finden sein. Jede kleine Photovoltaik-Anlage trägt zu mehr Klimaschutz bei. Ob Geschossbauten in Städten mit Mieterstrom, Carports oder Solarradwege – ich finde den Ansatz gut. Allerdings: Die Ausbauziele können wir nur erreichen, wenn wir die wirklich großen Freiflächen außerhalb von Städten erschließen. Dafür begleiten wir Solarprojekte als Komplettanbieter über die gesamte Wertschöpfungskette – vom Bau über den Betrieb bis zur Vermarktung des erzeugten Stroms. Bestens eigenen sich Acker- und Grünlandflächen sowie Flächen, die an Verkehrsinfrastrukturen angrenzen. Da die Agri-Photovoltaik (Agri-PV) – also das gleichzeitige Nutzen von Flächen zur landwirtschaftlichen Produktion und zur Photovoltaik-Stromproduktion – derzeit heiß diskutiert wird, möchte ich das Thema kurz anreißen. Wir sehen hier einen klassischen Zielkonflikt zwischen der Lebensmittel- und der Energieproduktion; beides ist lebensnotwendig, beides macht uns unabhängig. Um diesen Konflikt zu lösen, untersucht die Industrie derzeit zwei Modelle: zum einen hoch aufgeständerte Anlagen, unter denen auch Traktoren problemlos durchfahren können. Und zum anderen senkrecht aufgestellte Anlagen, die Sie sich optisch ähnlich wie Zaunreihen vorstellen können. Aktuell gibt es zahlreiche Pilotprojekte – auch von ENGIE, um diese Technologie für einen breiteren Einsatz weiterzuentwickeln.

 

Jetzt geht es um die schnelle Umsetzung von PV-Projekten 

Die Ziele für erneuerbare Energien sind mit dem Osterpaket festgeschrieben – jetzt geht es darum, sie in der Praxis umzusetzen. Das heißt insbesondere, die bürokratischen Hindernisse weiter abzubauen. Konkret gilt es, mit guten und effizienten Genehmigungsverfahren bis 2025 überall in Deutschland die Weichen für mehr Photovoltaik zu stellen. Dann bleiben uns bis 2030 weitere fünf Jahren für die Umsetzung. Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, gelingt uns das – davon bin ich überzeugt. Übrigens: Photovoltaik ist insbesondere für alle Bundesländer die perfekte Lösung, welche einen hohen Strombedarf aufweisen. Denn mit Photovoltaik lassen sich wunderbar die typischen Mittagsspitzen abdecken. Besonders gut funktioniert die Kombination aus Photovoltaik und Windkraft: Stark vereinfacht gesagt, gleichen sich die sehr intensive Sonnenenergie im Sommer und die starke Windenergie im Winter unterm Strich aus – das gilt für jedes Bundesland, wenngleich natürlich in unterschiedlichem Ausmaße. Hier haben wir noch sehr viel ungenutztes Potenzial. Nutzen wir jetzt diese Chance mit vereinten Kräften, kann Photovoltaik Deutschland schneller klimaneutral machen.

Liebe Leser:innen, gerne möchte ich mich zu diesem Thema persönlich mit Ihnen austauschen. Wo liegen für Sie die größten Hemmnisse für das Erreichen der Ausbauziele – und ist Photovoltaik auch für Sie eine Option? Schreiben Sie mir gerne per E-Mail, ich freue mich auf Ihre Impulse!

Herzlichst

Ralf Schürkamp
Geschäftsführer ENGIE  Deutschland Erneuerbare GmbH

 

Unser Experte

Ralf Schürkamp
Ralf Schürkamp ist Geschäftsführer der ENGIE Deutschland Erneuerbare GmbH.

Artikel, die Sie auch interessieren könnten